
Mission Dreizack
Die Luft ist zum Schneiden. Es fängt gut an, denkt sich unser Protagonist.
Die Reise mit dem Bus führt dieses Mal in den Norden. Das Ziel erst in 17 Stunden vor Augen. München – Berlin – Bielefeld. Es stinkt. Man will es sich gar nicht vorstellen. Abenteuer für all jene, die nicht unmittelbar involviert sind. Blenden Sie das einfach aus, werter Leser. Denken Sie an wohlriechendes Leder, an teures Parfum, in homöopathischen Dosen. Nicht aufdringlich. Angenehm, anziehend. Drei Reihen weiter vorne sitzt eine Verkältung, ganz hinten im Bus der albanische Kinderchor. Es geht los.
Es schüttet seit Stunden an diesem tristen Wintertag. Tief Burglind. Oder so.
Zügig geht es voran. Die Grenzkontrolle elegant umschifft. München in gut 2 Stunden erreicht. Schichtwechsel am Oberdeck. Die Luft wird besser. Etwas zumindest. Es füllt sich. Bis zum allerletzten Platz. Warum macht man das? Was treibt einen wie unseren Reisenden an? Gut, es ist günstig. Preiswert. Nein, es ist SCHWEINEBILLIG. Busreisen ist das neue Reisen. Quer durch und wieder zurück. Ticket ab 5,90. Da stinkt es eben. Basta.
Warum also? Was zieht an wie ein Magnet? Wie das Licht, dem die Motte nicht widerstehen kann?
Design ZAGATO, ebendort in den heiligen Hallen von Ugo gefertigt. Nach gut 220 Stück war Schluss. „Ultrarare“ also. Befeuert von einem Sechsender. Biturbogeladen. 23.175, der Kilometerstand. Fertigungsjahr 1993. Obwohl, so genau weiß das niemand mehr. Der Verkauf ging schleppend in den späten Achtzigern. In den frühen Neunzigern um nichts besser. Da standen sie, diese mobilen Pretiosen. Die nicht das halten konnten, als was sie angekündigt wurden. Nun. Dennoch. Es ist der Reiz. Die Marke, die geringe Stückzahl, das Verwegene.
Der albanische Kinderchor macht Pause. Letzte Verpflegungseinheit für diesen Tag.
Es geht Richtung Ingolstadt. Hier wird Langlebigkeit geschaffen. Deutsche Gründlichkeit – niemand hat von sauber gesprochen, die Herren der Ringe mit dem Hang zur Perfektion. Burglind bläst in Orkanstärke. Einer der Sängerknaben heult, weil das Fanta aus ist. Die meisten im Oberdeck versuchen zu schlafen …
02:38 Uhr / Münchberg. STOPP. Polizeikontrolle am Autohof. Höchste Zeit, um nach rund 6 Stunden Fahrt die Beine gerade zu biegen. Fahndungserfolg. Einer bleibt da.
Weißenfels. Merseburg. Halle. Berlin. Körperkultur am Busbahnhof. Der Espresso annehmbar. Eine ältere Dame vermisst ihre Dokumentenmappe. Hauptsache, die Hauspatschen sind dabei. Unser Reisender wünscht ihr das Beste.
Zu Mittag in Hannover. Der Bus ein Speisewagen. Letzter Halt, es geht Richtung Bielefeld. Sonne zwischen dichten Wolken. Nur noch knappe 2 Stunden vom Objekt der Begierde entfernt. Die Vorfreude nimmt zu.
Wie viele Wurstsemmeln isst ein durchschnittlicher Mitteleuropäer zu Mittag? Zwei, drei, vier?
Bielefeld-Brackwede
Busse von überall kommen hier an. Abholung in einem 178.000 (!)-Euro-Targa made in Zuffenhausen. Sehr sympathisch.
Schnelle Überfahrt, ein Kaffee (sic!), der sehr ordentlich ankommt, normierter Espressomaschinentechnik sei dank.
In der Halle wartet der Karif.
Da steht er zwischen altem und neuerem Gerät. Mittendrin und auf den ersten Blick gar nicht so schlecht. Doch bekanntlich liegt die Tücke im Detail. Ein wenig Rostansatz da, ein wenig Sprühnebel dort. Elektronik, die nicht mag, auf der Habenseite eine aktuelle 11.000,- Euro Rechnung (!). Was tun? Die nicht originale Außenfarbe gibt letztlich den Ausschlag. Nicht kaufen. Es gut sein lassen, wie es ist und in aller Freundschaft den Heimweg antreten.
Dem Zauber der Bielefelder Altstadt erliegen? Ja, in aller Kürze. Aufbruch dann zum „internationalen Busbahnhof“ in Brackwede. Warteraum, hier wird polnisch gesprochen, ein wenig deutsch. Der 1-Euro-Tee hier ist der beste der Welt. Vermutlich.
Warten. Der Tag ist lang mittlerweile. Bis dato aufgelaufene Reisezeit: 21 Stunden.
Start der Rückreise, der Bus nach Lund (Schweden) – später stellt sich heraus, dass nur eine einzige Person bis zur Endstation reist. Der Rest peilt Hannover, Malmö, Kopenhagen an. Doppeldeck ausgebucht. Jugend reist. Im Bus. Und unser Protagonist mitten im Geschehen.
Hannover, ein letztes Mal. Freitag Abend, die Stadt lebt. Warten auf den Nachttransfer nach München. Das Procedere wiederholt sich. München früh morgens, 2 Stunden zum letzten Anschluss in die Heimat. Nach ziemlich exakt 36 Stunden wird noch einmal seine Identität geprüft. Ja, er ist es. Gott sei Dank. Und der Strom im Bus fließt nicht. Dafür gibt’s WLAN. Für alle. Fast. Einige reden noch miteinander.
Nach exakt 38 Stunden zurück. Vieles gesehen, ein Auto mitunter sogar. Eindrücke deren vieler gewonnen.
Müde. Zufrieden.
ENDE